Mobilität klimaverträglich sichern

Ein Beschluss des Bundesausschusses der NaturFreunde Deutschlands

Mobil sein ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Freund*innen treffen, zur Arbeit, zur Schule zum Ausbildungsort kommen, Transporte von Gütern und Dingen des täglichen Bedarfs, dies alles erfordert Mobilität. Die NaturFreunde treten für eine Mobilität für alle ein. Hierbei müssen die Klimagerechtigkeit, Generationen- und Gendergerechtigkeit, die Integration von Kindern und älteren Menschen, die Mobilität von Personen mit Mobilitätseinschränkungen und sozial Benachteiligten und das Recht auf ein sicheres und gesundes Leben in den Städten und Regionen im Mittelpunkt stehen. Die Menschen in Stadt und Land müssen einen guten Zugang zu einem ökologischen und klimagerechten öffentlichen Nahverkehr erhalten. Ziel einer sozial- und klimagerechten Verkehrspolitik muss eine konsequente Vermeidung und Verlagerung von Verkehren sein. Ein klimagerechter Verkehr findet vor allem über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), Bahn sowie Fuß- und Fahrradverkehr statt. Hierfür muss ein massiver Ausbau der Bahn und des öffentlichen Nahverkehrs im Mittelpunkt der Verkehrspolitik stehen. Bis spätestens 2035 muss eine vollständige Dekarbonisierung von Kraftstoffen umgesetzt werden.

Mobilität muss klimaneutral und umweltverträglich werden!
Die immer noch zunehmende Belastung von Mensch und Natur durch den Verkehr gehört zu den größten Herausforderungen für die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitspolitik:

  • Der Landschaftsverbrauch durch Verkehrswege nimmt weiter zu und unzerschnittene Landschaftsflächen werden immer kleiner – mit allen negativen Folgen für Mensch, Fauna und Flora. 
  • 2018 hatte der Verkehrssektor mit ca. 19 Prozent den drittgrößten Anteil an Treibhausgasen in Deutschland. Absolut stiegen die Emissionen sogar noch, trotz Steigerungen der Effizienz bei den Fahrzeugantrieben. Zunehmende Fahrleistungen, die Dominanz fossiler Kraftstoffe und anhaltend hohe durchschnittliche CO2- Emissionen von Personenkraftwagen (Pkw) sind die Gründe. 
  • Die Luftverschmutzung durch Verkehrsabgase ist zudem wesentliche Ursache für die die menschliche Gesundheit gefährdenden Feinstaub- und NOx-Belastungen.

Die NaturFreunde bekräftigen deshalb: Die derzeitige Verkehrspolitik kann aus ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Gründen nicht weiter akzeptiert werden. Der Umstieg in eine nachhaltige, klimaschützende Verkehrspolitik ist dringend notwendig.

Dieser Beschluss ist Teil eines Pakets, das der NaturFreunde-Bundesausschuss – das zweithöchste Organ des Verbandes – am 30. April 2020 verabschiedet hat. Eigentlich war der entsprechende Antrag zum 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands eingereicht worden, der jedoch aufgrund der Corona-Krise verschoben wurde. Um NaturFreund*innen für die nächsten Monate besser handlungsfähig zu machen, hat der Bundesausschuss über wichtige Kongress-Anträge bereits jetzt entschieden.

Dazu gehören aus Sicht der NaturFreunde folgende fünf Ansätze:

1. Den Ausstoß an Klimagasen sofort drastisch reduzieren:
a. Eine klimagerechte Verkehrspolitik muss den öffentlichen Nah- und Fernverkehr und den Fuß- und Radverkehr in den Mittelpunkt der Verkehrsplanungen stellen. Ziel ist die drastische Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Die NaturFreunde unterstützten die Initiativen in den Städten und Regionen zur Schaffung von autofreien Innenstädten.
b. Schon im bestehenden Fahrzeugbestand können die Emissionen kurzfristig reduziert werden, indem endlich ein Tempolimit eingeführt wird, in geschlossenen Ortschaften 30 km/h, auf Landstraßen 80 km/h und auf Autobahnen 100 km/h.
c. Der geltende Bundesverkehrswegeplan muss grundlegend überarbeitet werden: Kein Geld für den Straßenneubau: Konzentration der Investitionsmittel auf den Ausbau der Bahninfrastruktur und des ÖPNV in den Städten und Regionen, Förderung des Ausbaus der Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur.
d. Konsequente Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.
e. Rückbau der autogerechten Stadt durch sukzessiven Rückbau der mehrspurigen Straßen für den Autoverkehr und Bau von Radschnellwegen auf den freiwerdenden Flächen.
f. Sukzessive Auflassung von Parkplätzen, Parkbuchten und Parkstreifen in den Innenstädten und Ausbau von Fahrradwegen und Verbreiterung von Fußgänger*innenbereichen.
g. Das Dienstwagenprivileg muss abgeschafft werden.
h. Die Kfz-Steuer muss reformiert werden, indem künftig der CO2-Ausstoß der Fahrzeuge in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird und die Diesel-Besteuerung an die Benzin-Besteuerung angepasst wird; i. der Schienenverkehr muss konsequent gefördert werden, stillgelegte Schienenstrecken müssen wo immer möglich reaktiviert werden.

2. Umstieg auf klimaverträglichere Antriebssysteme:
a. Der Einsatz umweltfreundlicherer Energien und Techniken bei Straßenfahrzeugen muss begünstigt werden. Auch beim Schienenverkehr ist der Einsatz umweltverträglicher Stromproduktion und der Ersatz technisch veralteter Fahrzeuge zu fördern.
b. Aus der Produktion von fossilen Verbrennungsmotoren ist bis spätestens 2025 auszusteigen; bis spätestens 2035 muss der Verkehrsbereich klimaneutral sein.
c. Der Luftverkehr ist in den Emissionshandel einzubeziehen, alle Steuervorteile und Subventionen sind zu streichen.

3. Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes stärken:
a. Es muss möglich sein, im Wohnumfeld alle Wege zu Fuß oder mit dem Rad zu meistern, weil die nötige Infrastruktur wohnortnah zur Verfügung steht. Dazu gehört neben den Dingen des täglichen Bedarfs, auch die Kita oder die Schule, der*die Arzt*Ärztin oder der*die Apotheker*in.
b. Der Übergang zwischen den Träger*innen des öffentlichen Verkehrs muss organisatorisch dringend verbessert werden. Abgestimmte Fahrpläne und Tarife sind nicht nur in städtischen Regionen, sondern auch im ländlichen Raum zu fördern. Dabei darf die Abstimmung der Fahrpläne und Tarife nicht an Verbund-, Kreis- oder Landesgrenzen enden. Hier kann die Schweiz ein Vorbild sein.
c. Benutzer*innenfreundliche, preisgünstige oder sogar entgeltfreie ÖPNV-Angebote sind aufzubauen, dabei muss der ÖPNV konsequent bevorrechtigt werden.
d. Die Finanzierung des ÖPNV durch die öffentliche Hand muss gesichert und ausgebaut werden.e. Die öffentlichen Verkehrsangebote in Stadt und Land müssen durch den Ausbau des Schienennetzes und den Einsatz von abgasgereinigten Bussen erweitert werden.
f. Zwischen 5 und 24 Uhr müssen die öffentlichen Verkehrsangebote verdichtet werden.

4. Konsequente Förderung des Fuß- und Radverkehrs:
a. Konsequenter Ausbau von Fußwegen und Fußgänger*innenbereichen in den Innenstädten durch Zurückdrängung des Raumes für den motorisierten Individualverkehr;
b. Ausbau von Radwegen und Radschnellwegen grundsätzlich auf Straßen durch Rückbau von mehrspurigen Straßen und der Aufgabe von Parkräumen für Autos;
c. großräumige Ausweitung und Ausbau von Fahrradstraßen und Spielstraßen;
d. an allen Haltestellen und vor Arbeits- und Einkaufsbereichen müssen ausreichend Fahrradabstellplätze geschaffen werden;
e. für den Ausbau der Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur müssen die Mittel im Bundesverkehrswegeplan vom Neubau von Straßen auf den Ausbau der Fuß- und Radinfrastruktur umgewidmet werden;
f. schneller Ausbau einer umweltfreundlichen Infrastruktur für Elektrofahrräder und Elektrolastenräder.

5. Flugverkehr radikal reduzieren:
a. Der Luftverkehr muss auf das minimal Notwendige beschränkt werden. Verkehrsbewegungen müssen zukünftig durch eine Förderung von Bahnverbindungen zwischen den Metropolen sichergestellt werden.
b. Die Landesentwicklungsplanungen müssen grundsätzlich überarbeitet werden. Alle Ausbaupläne für Flughäfen müssen gestoppt und mit dem Ziel der Verlagerung der Verkehre auf die Schiene überarbeitet werden. Ziel muss eine Reduzierung von Passagier- und Frachtaufkommen im Flugverkehr sein.
c. Auf allen Flughäfen muss ein konsequentes Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr gesetzlich festgeschrieben werden.
d. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für ein europaweites Verbot von Kurzflügen unter 800 Kilometern zu engagieren.
e. Alle direkten und indirekten Subventionen für den Flugverkehr müssen abgeschafft werden.
f. Alle Flughäfen müssen zu Einsparungen von mindestens 60 Prozent der klimaschädlichen Emissionen bis spätestens 2025 verpflichtet werden.
g. Klimaauswirkungen des Flughafenbetriebs und aller Flugbewegungen müssen durch CO2-Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden. Die Kosten hierfür sind additiv auf die Flugbewegungen umzulegen.
h. Die Kapazitäten der Flughäfen müssen sukzessive zurückgebaut werden. Ein erstes wichtiges Ziel ist, die Passagierzahlen deutlich zu reduzieren.

Bei allen Anstrengungen für einen klimaverträglicheren Verkehr bleibt, dass die Verkehrsinfrastruktur einen enormen Flächenverbrauch hat und Zuwächse begrenzt werden müssen. Der Umstieg auf eine andere Antriebstechnik als den fossilen Verbrennungs-motor wird dieses Problem nicht lösen. Das bedeutet, dass die Thematik, ob der Besitz eines PKWs auch weiterhin die Grundlage unserer Mobilität sein kann, in den Fokus der Diskussion rücken muss. Während es in den Ballungszentren heute schon häufig Alternativen zum eigenen Auto gibt, sei es das Fahrrad, der ÖPNV oder auch Car-Sharing-Angebote, ist für viele Menschen jenseits der Ballungszentren das Auto bislang die einzige Möglichkeit, mobil zu bleiben. Wenn der Öffentliche Personennahverkehr eine echte Alternative werden soll, müssen völlig neue Konzepte entwickelt werden.

Die NaturFreunde fordern, dass Schienenverkehr, öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Rad- und Fußverkehr die Grundlage unserer Mobilität werden müssen. Dazu benötigen wir einen gesellschaftlichen Diskurs über die zukünftige, nachhaltige Mobilität, in dem die Folgen offen besprochen werden und sozialverträgliche Wege für diesen Umbau entwickelt werden. Die NaturFreunde unterstützen auch lokale Verkehrsinitiativen und – da wo es möglich ist – auch die Einführung eines kostenlosen ÖPNV. 

Die NaturFreunde werden 

  • sich aktiv an Initiativen und Bündnissen für die Durchsetzung einer sozial- und klimagerechten Verkehrswende beteiligen; 
  • bei der Anreise zu NaturFreunde-Aktivitäten und zu den Naturfreundehäusern aktiv für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln werben; 
  • in möglicher Kooperation mit der Naturfreundejugend ein Themenpaket „Klimagerechtigkeit und Verkehr“ erarbeiten; 
  • einen Aktionsleitfaden für die Ortsgruppen für eine Klimagerechte Verkehrspolitik erarbeiten und zur Verfügung stellen; 
  • Aktivitäten zur Durchsetzung eines kostenlosen ÖPNV unterstützen; 
  • gemeinsam mit den Ortsgruppen Möglichkeiten für den Einsatz von Lastenfahrrädern als Beitrag für eine klimafreundliche Verkehrspolitik erarbeiten. Der Bundesvorstand wird beauftragt, zu versuchen, ein entsprechendes Förderprogramm für die Ortsgruppen bei den öffentlichen Zuschussgebern durchzusetzen; 
  • im Rahmen der Ehrenamtsakademie inhaltliche Seminare und Weiterqualifizierungen für die Mitglieder und Aktiven anbieten; 
  • einen Leitfaden für die verschiedenen Fachbereiche der NaturFreunde erarbeiten, wie eine sozial- und klimagerechte Durchführung der Veranstaltungen sichergestellt werden kann.

Verabschiedet am 30. April 2020 vom Bundesausschuss der NaturFreunde Deutschlands.